OVZ vom 8.Januar 2005

Arena der erkämpften Träume und schlaflosen Nächte Meuselwitz (OVZ).

Der Mann schweigt. Dabei könnte er ein Buch schreiben über das, was er erlebt und gesehen hat. Selbst nach eifrigem Nachfragen sind ihm nur Floskeln zu entlocken. "Ja natürlich, die Arena finde ich gut. Ganz toll, was hier entstanden ist". Helmut Tretbar wohnt seit 20 Jahren im Hauptgebäude am Fußball-Stadion auf der Glaserkuppe. Er hat aus seinem Fenster oder vor dem Haus alles gesehen, was auf dem abgeschiedenen, abgeschriebenen und halb baufälligen Gelände geschah, vor allem in den letzten zweieinhalb Jahren.
 Doch Helmut Tretbar zeigt sich von all dem äußerlich wenig beeindruckt. Aber das täuscht. Gewaltig. Denn er hat alles exakt aufgeschrieben und eifrig fotografiert. Er ist Chronist und damit Zeuge der unglaublichen Verwandlung des grauen, öden Bergbau-Sportplatzes in das modernste Fußball-Oberliga-Stadion des Ostens - wenn man davon absieht, dass das Leipziger Zentralstadion für mehr als die schlafmützigen Sachsen-Profis gebaut wurde.
 Am 31. Juli 2002 notierte Helmut Tretbar: Übergabe des Geländes an den ZFC. 6. August 2002: erster Spatenstich. 5. November 2002: Einweihung Kunstrasenplatz. 2. Mai 2003: Baubeginn am Hauptplatz. 19. Juli 2003: Rollrasen ist verlegt. Und so weiter. Die (vorläufig) letzte Eintragung von ihm datiert vom 12. November 2004.Feierliche Einweihung der Bluechip-Arena.
"Naja, so ganz fertig ist sie ja noch nicht", schmunzelt Hubert Wolf, Club- und Bluechip-Chef, ZFC-Hauptsponsor, Fördermittel-Beschaffer, die Richtigen-Leute-Kenner, Kämpfer, Antreiber beim Bau, Traumerfüller, Problemelöser bei Schwierigkeiten und so weiter ...
 Aber es braucht einen scharfen Blick, um zu sehen, was noch fehlt. Genau genommen muss noch das Sprecherhäuschen verkleidet und gestrichen werden, etliche Pflanzen in die Erde, ein paar kleine Pflasterflächen fertig-, Papierkörbe und Fahrradständer aufgestellt werden. Auch das soll im Frühjahr 2005 abgeschlossen sein, wenn sich der Club dann daran macht, weitere 400 Parkplätze zu errichten.
 Wer mit Hubert Wolf spricht, merkt, dass dieser selbst nicht so recht glauben mag, was auf dem kleinen Hügel am Rand des längst eingemeindeten Ortsteiles Zipsendorf abging. "Mensch Hubert, das musst du dir mal überlegen, was das heißt - Oberliga!", hat ihm vor ein paar Jahren der mit allen Wassern gewaschene ehemalige DDR-Oberliga-Spieler Konrad Schaller ins Ohr geflüstert. Da kickte die ZFC-Elf unter dem Trainer Schaller noch in der Landesliga.
 Eine Warnung oder eine Vision? Es muss beides gewesen sein. Denn Hubert Wolf wollte die Oberliga mit den klangvollen Namen wie Jena, Chemie, HFC und Magdeburg in das kleine Nest holen. Unbedingt. Aber er wusste, dass man neben dem sportlichen Erfolg auch die Bedingungen schaffen muss, die diese Liga fordert, mit all den Sicherheitsauflagen und dem Zuschaueransturm. Nur wie?
 Den entscheidenden Impuls, sagt der ZFC-Chef, habe ihm so um das Jahr 2000 Jens Weber, Chef einer Altenburger Bank, gegeben. Der wusste, wie und mit welcher Hilfe der Uni-Sportverein Jena sein Stadion aufgemöbelt hatte. "Bauen mit Fördermitteln, mit Hilfe des Arbeitsamtes und mit einem überschaubaren Eigenanteil". Dieses Jenaer Erfolgsrezept würzte der erfolgreiche Firmengründer nach. Wolf setzte die Komponenten "Selber bauen und auf eigene Rechnung" hinzu. Das bot vor allem den Vorteil, dass kein Null-Acht-Fünfzehn-Stadion auf die Glaserkuppe gestülpt wird, ob es passt oder nicht. Und man konnte vor und während des Baus ständig Einfluss auf nötige Änderungen nehmen. So wurde zum Beispiel das komplizierte Beregnungssystem den örtlichen Bedingungen angepasst.
 Nach langwierigen Verhandlungen stand schließlich auch das verzweigte Finanzierungskonzept. An den Baukosten von rund 3,36 Millionen Euro beteiligten sich das Sozialministerium (1,2 Millionen Euro), die Bundesagentur für Arbeit (333 000 Euro), das Wirtschaftsministerium (860 000 Euro) und die Stadt (50 000 Euro). Die Vergabe der Namensrechte der drei Sitzplatztribünen - "Belinea", "Samsung" und "Altenburger Brauerei" - spülte weitere 30 000 Euro in die Kasse.
 Letztendlich war es ein riskantes Pokerspiel. Denn nötig war ebenso die für einen relativ kleinen Verein irrwitzige Summe von 904 000 Euro Eigenmittel. Nur zu schultern über 14 000 Stunden Eigenleistungen der Mitglieder. Die schraubten die Stühle und Werbetafeln an, errichteten den Spielplatz, Verkaufs- und Kassenhäuschen, schachteten Gräben, pflanzten und strichen an.
 Doch die Erfolgsgeschichte Bluechip-Arena bekam einen ordentlichen Dämpfer und stand damit eigentlich auf der Kippe. "Wir haben eine ziemlich hohe Summe an Eigenmitteln akzeptiert", schildert Hubert Wolf das hohe Risiko. Und dann kam der Schlag. Wegen Haushaltsschwierigkeiten strich das Land im März 2003 rund 200 000 Euro an zugesagten Fördergeldern. "Das hat mir einige schlaflose Nächte bereitet", stapelt der gewiefte Geschäftsmann tief. Denn seine Sorgen müssen sicher noch größer gewesen sein. Schließlich war die Summe kein Pappenstiel, die Eigenleistungen an sich schon viel zu hoch angesetzt. Und an allen Stellen des Stadions wurde bis dahin ohnehin die Sparvariante gefahren.
 "Es war nichts mehr rauszuholen, ohne dass wir an die vorgeschriebenen Sicherheits-Auflagen gegangen wären". Und das kam nicht in Frage. Letztendlich fanden sich doch noch Einschränkungen: So wurde die Westtribüne nicht aus Stahl gebaut, sondern bekam die alte Holztraverse. Statt eines massiven Sprecherhäuschens steht nun ein schlichter Containerbau. Auch der Traum von einem Tunnel vom Umkleidekabinen-Gang zum Stadion war nun ausgeträumt. Doch das durfte nicht sein. Hubert Wolf zahlte das Material aus seiner eigenen Tasche, und den eigentlich nur im Profi-Fußball üblichen "Geheimgang" bauten die Mitglieder.
 Damit konnte ein Teil der Summe eingespart werden. Letztendlich blieb dem Verein nichts weiter übrig, als den Kredit zu erhöhen, auf 400 000 Euro. "Der drückt und tut weh", gibt Hubert Wolf zu. Und wer das weiß, muss sich nicht mehr darüber wundern, den Club-Präsident mit einem strahlenden Gesicht anzutreffen, wenn zu den Heimspielen mehr Zuschauer als erwartet kommen.
 Das war zum Beispiel am 5. November gegen Jena so, als sagenhafte 3478 Besucher gezählt wurden. Natürlich Rekord. Und Härtetest. "Der ist absolut gelungen", schätzt Wolf ein. Polizei und Sicherheitsleute vom Thüringer Fußballverband waren zufrieden. Es gab keine Ausschreitungen. Nur das mit den Eintrittskarten, das war dem an Perfektion schon interessierten Club-Chef peinlich. Die Tickets waren alle und den Fans wurden Essenmarken in die Hand gedrückt. "Das wird es nicht wieder geben". Die Leute an der Schlange haben zwar nicht gemurrt, "aber ich will, dass sie dort nicht so lange stehen müssen".
 Ähnlich war es mit einer kürzlich angebrachten Hinweistafel, die ihm beim Vorbeigehen auffiel, weil zwei oder drei Schrauben nicht auf Linie saßen. "Das bleibt nicht so", sagt Hubert Wolf und lacht. Er meint es ernst.

Jens Rosenkranz

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