Arena der erkämpften Träume und schlaflosen Nächte Meuselwitz (OVZ).
Der Mann schweigt. Dabei könnte er ein Buch schreiben über
das, was er erlebt und gesehen hat. Selbst nach eifrigem Nachfragen sind ihm nur
Floskeln zu entlocken. "Ja natürlich, die Arena finde ich gut. Ganz toll, was
hier entstanden ist". Helmut Tretbar wohnt seit 20 Jahren im Hauptgebäude am
Fußball-Stadion auf der Glaserkuppe. Er hat aus seinem Fenster oder vor dem Haus
alles gesehen, was auf dem abgeschiedenen, abgeschriebenen und halb baufälligen
Gelände geschah, vor allem in den letzten zweieinhalb Jahren.
Doch Helmut Tretbar zeigt sich von all dem äußerlich wenig beeindruckt.
Aber das täuscht. Gewaltig. Denn er hat alles exakt aufgeschrieben und eifrig
fotografiert. Er ist Chronist und damit Zeuge der unglaublichen Verwandlung des
grauen, öden Bergbau-Sportplatzes in das modernste Fußball-Oberliga-Stadion des
Ostens - wenn man davon absieht, dass das Leipziger Zentralstadion für mehr als
die schlafmützigen Sachsen-Profis gebaut wurde.
Am 31. Juli 2002 notierte Helmut Tretbar: Übergabe des Geländes an den
ZFC. 6. August 2002: erster Spatenstich. 5. November 2002: Einweihung
Kunstrasenplatz. 2. Mai 2003: Baubeginn am Hauptplatz. 19. Juli 2003: Rollrasen
ist verlegt. Und so weiter. Die (vorläufig) letzte Eintragung von ihm datiert
vom 12. November 2004.Feierliche Einweihung der Bluechip-Arena.
"Naja, so ganz fertig ist sie ja noch nicht", schmunzelt Hubert Wolf,
Club- und Bluechip-Chef, ZFC-Hauptsponsor, Fördermittel-Beschaffer, die
Richtigen-Leute-Kenner, Kämpfer, Antreiber beim Bau, Traumerfüller,
Problemelöser bei Schwierigkeiten und so weiter ...
Aber es braucht einen scharfen Blick, um zu sehen, was noch fehlt.
Genau genommen muss noch das Sprecherhäuschen verkleidet und gestrichen werden,
etliche Pflanzen in die Erde, ein paar kleine Pflasterflächen fertig-,
Papierkörbe und Fahrradständer aufgestellt werden. Auch das soll im Frühjahr
2005 abgeschlossen sein, wenn sich der Club dann daran macht, weitere 400
Parkplätze zu errichten.
Wer mit Hubert Wolf spricht, merkt, dass dieser selbst nicht so recht
glauben mag, was auf dem kleinen Hügel am Rand des längst eingemeindeten
Ortsteiles Zipsendorf abging. "Mensch Hubert, das musst du dir mal überlegen,
was das heißt - Oberliga!", hat ihm vor ein paar Jahren der mit allen Wassern
gewaschene ehemalige DDR-Oberliga-Spieler Konrad Schaller ins Ohr geflüstert. Da
kickte die ZFC-Elf unter dem Trainer Schaller noch in der Landesliga.
Eine Warnung oder eine Vision? Es muss beides gewesen sein. Denn Hubert
Wolf wollte die Oberliga mit den klangvollen Namen wie Jena, Chemie, HFC und
Magdeburg in das kleine Nest holen. Unbedingt. Aber er wusste, dass man neben
dem sportlichen Erfolg auch die Bedingungen schaffen muss, die diese Liga
fordert, mit all den Sicherheitsauflagen und dem Zuschaueransturm. Nur wie?
Den entscheidenden Impuls, sagt der ZFC-Chef, habe ihm so um das Jahr
2000 Jens Weber, Chef einer Altenburger Bank, gegeben. Der wusste, wie und mit
welcher Hilfe der Uni-Sportverein Jena sein Stadion aufgemöbelt hatte. "Bauen
mit Fördermitteln, mit Hilfe des Arbeitsamtes und mit einem überschaubaren
Eigenanteil". Dieses Jenaer Erfolgsrezept würzte der erfolgreiche Firmengründer
nach. Wolf setzte die Komponenten "Selber bauen und auf eigene Rechnung" hinzu.
Das bot vor allem den Vorteil, dass kein Null-Acht-Fünfzehn-Stadion auf die
Glaserkuppe gestülpt wird, ob es passt oder nicht. Und man konnte vor und
während des Baus ständig Einfluss auf nötige Änderungen nehmen. So wurde zum
Beispiel das komplizierte Beregnungssystem den örtlichen Bedingungen angepasst.
Nach langwierigen Verhandlungen stand schließlich auch das verzweigte
Finanzierungskonzept. An den Baukosten von rund 3,36 Millionen Euro beteiligten
sich das Sozialministerium (1,2 Millionen Euro), die Bundesagentur für Arbeit
(333 000 Euro), das Wirtschaftsministerium (860 000 Euro) und die Stadt (50 000
Euro). Die Vergabe der Namensrechte der drei Sitzplatztribünen - "Belinea",
"Samsung" und "Altenburger Brauerei" - spülte weitere 30 000 Euro in die Kasse.
Letztendlich war es ein riskantes Pokerspiel. Denn nötig war ebenso die
für einen relativ kleinen Verein irrwitzige Summe von 904 000 Euro Eigenmittel.
Nur zu schultern über 14 000 Stunden Eigenleistungen der Mitglieder. Die
schraubten die Stühle und Werbetafeln an, errichteten den Spielplatz, Verkaufs-
und Kassenhäuschen, schachteten Gräben, pflanzten und strichen an.
Doch die Erfolgsgeschichte Bluechip-Arena bekam einen ordentlichen
Dämpfer und stand damit eigentlich auf der Kippe. "Wir haben eine ziemlich hohe
Summe an Eigenmitteln akzeptiert", schildert Hubert Wolf das hohe Risiko. Und
dann kam der Schlag. Wegen Haushaltsschwierigkeiten strich das Land im März 2003
rund 200 000 Euro an zugesagten Fördergeldern. "Das hat mir einige schlaflose
Nächte bereitet", stapelt der gewiefte Geschäftsmann tief. Denn seine Sorgen
müssen sicher noch größer gewesen sein. Schließlich war die Summe kein
Pappenstiel, die Eigenleistungen an sich schon viel zu hoch angesetzt. Und an
allen Stellen des Stadions wurde bis dahin ohnehin die Sparvariante gefahren.
"Es war nichts mehr rauszuholen, ohne dass wir an die vorgeschriebenen
Sicherheits-Auflagen gegangen wären". Und das kam nicht in Frage. Letztendlich
fanden sich doch noch Einschränkungen: So wurde die Westtribüne nicht aus Stahl
gebaut, sondern bekam die alte Holztraverse. Statt eines massiven
Sprecherhäuschens steht nun ein schlichter Containerbau. Auch der Traum von
einem Tunnel vom Umkleidekabinen-Gang zum Stadion war nun ausgeträumt. Doch das
durfte nicht sein. Hubert Wolf zahlte das Material aus seiner eigenen Tasche,
und den eigentlich nur im Profi-Fußball üblichen "Geheimgang" bauten die
Mitglieder.
Damit konnte ein Teil der Summe eingespart werden. Letztendlich blieb
dem Verein nichts weiter übrig, als den Kredit zu erhöhen, auf 400 000 Euro.
"Der drückt und tut weh", gibt Hubert Wolf zu. Und wer das weiß, muss sich nicht
mehr darüber wundern, den Club-Präsident mit einem strahlenden Gesicht
anzutreffen, wenn zu den Heimspielen mehr Zuschauer als erwartet kommen.
Das war zum Beispiel am 5. November gegen Jena so, als sagenhafte 3478
Besucher gezählt wurden. Natürlich Rekord. Und Härtetest. "Der ist absolut
gelungen", schätzt Wolf ein. Polizei und Sicherheitsleute vom Thüringer
Fußballverband waren zufrieden. Es gab keine Ausschreitungen. Nur das mit den
Eintrittskarten, das war dem an Perfektion schon interessierten Club-Chef
peinlich. Die Tickets waren alle und den Fans wurden Essenmarken in die Hand
gedrückt. "Das wird es nicht wieder geben". Die Leute an der Schlange haben zwar
nicht gemurrt, "aber ich will, dass sie dort nicht so lange stehen müssen".
Ähnlich war es mit einer kürzlich angebrachten Hinweistafel, die ihm
beim Vorbeigehen auffiel, weil zwei oder drei Schrauben nicht auf Linie saßen.
"Das bleibt nicht so", sagt Hubert Wolf und lacht. Er meint es ernst.
Jens Rosenkranz
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